Gerechtigkeit ist keine Ansichtssache
veröffentlicht am 9.04.05 von Franziska Hipp
Aktionswoche für globale Gerechtigkeit vom 8.-16. April 2005
Mit Blick auf die nächste WTO-Ministerkonferenz in Hongkong finden in über 70 Ländern Aktionen für einen gerechteren Welthandel statt. Für die Bundesrepublik Deutschland hat die Welthandelskampagne vier politische Forderungen aufgestellt:
- Kein Ausverkauf der Wasserversorgung an Konzerne
- Ernährung weltweit sichern
- Kein Freihandel auf Kosten der Umwelt
- Handelspolitik nicht über unsere Köpfe hinweg
Der Weltladen Konstanz beteiligt sich im Rahmen der Aktionswoche an einer bundesweiten Ansichtskartensammlung, die diesen Forderungen Nachdruck verleihen soll. Die Karten mit der Aufschrift „Gerechtigkeit ist keine Ansichtssache!“ sind an Bundeswirtschaftsminister Clement gerichtet, der die deutsche Position zu den Verhandlungen bei der Welthandelsorganisation vertritt. Bis zum 11. April sind im Weltladen noch Karten erhältlich.
10 Jahre WTO – Kein Grund zum Feiern!
Vor 10 Jahren, am 1. Januar 1995, nahm die Welthandelsorganisation (engl. WTO) ihre Arbeit in Genf auf. Mittlerweile zählen 147 Einzelstaaten sowie die Europäische Union zu ihren Mitgliedern und damit unterliegen 90 % des globalen Handels ihren Regeln.
Das höchste Entscheidungsgremium der WTO ist die alle zwei Jahre stattfindende Ministerkonferenz. Nach dem Scheitern der Konferenz in Seattle (USA) 1999 konnten sich die WTO-Mitglieder in Doha (Qatar) auf ein neues Verhandlungspaket einigen, das die Interessen der sogenannten Entwicklungsländer — zumindest auf dem Papier — in den Mittelpunkt stellte. In der WTO gilt zwar formal das Prinzip „ein Land, eine Stimme“, aber in der Praxis sind die ärmsten Länder benachteiligt. Deren Delegationen bestehen oftmals nur aus einer Person, wohingegen die Handelsvertretung aus Japan beispielsweise mit weit über hundert Expertinnen und Experten zu WTO-Verhandlungen anreist.
Bei der letzten Ministerkonferenz im September 2003 in Cancún hatte die Gruppe der ärmsten Länder, die unter dem Label G90 auftrat, mehrfach erklärt, dass sie nicht über neue Themen wie etwa Investitionen verhandeln wolle, denn dies hätte wiederum eine Stärkung der multinationalen Unternehmen zur Folge. Die knallharte Interessenpolitik der Industrienationen führte aber dazu, dass ihr Kompromissvorschlag genau dies vorsah. Trotz Drohungen über den Entzug von Wirtschafts- und Entwicklungshilfe versagten die Länder des Südens ihre Zustimmung und boten dem reichen Norden damit erstmals die Stirn.
Die Ungerechtigkeit im Welthandel wird besonders deutlich im Agrarsektor. Die EU gibt laut Angaben der Welthandelskampgane jährlich 44 Milionen € für Agrarsubventionen aus. Damit schützt sie ihre eigene Landwirtschaft vor Konkurrenz und ermöglicht den europäischen Landwirten sogar ihre Produkte zu Dumpingpreisen auf den Märkten des Südens zu verkaufen. Bauernfamilien, die Nahrungsmittel für den lokalen Markt produzieren, verlieren aufgrund dessen oft ihre einzige Einkommensquelle ohne Hoffnung auf Alternativen. In Gesellschaften, in denen die Mehrzahl der Menschen fast ausschließlich von der Landwirtschaft lebt, bedeutet dies eine Katastrophe.
Vom 14. bis zum 18. Dezember findet in Hongkong die nächste Ministerkonferenz statt. Wie schon bei der gescheiterten Konferenz von Cancún wird der Nord-Süd-Konflikt im Mittelpunkt stehen – bei den Themen Agrarhandel, Dienstleistungen, WTO-interner Demokratie und Transparenz. Eine Entwicklungsrunde, die diesen Namen auch verdient, sollte die Interessen der Entwicklungsländer in den Vordergrund stellen. Statt gleicher Regeln für alle zu schaffen, was bei ungleichen Partnern nur den Stärkeren hilft, sollten die Spielregeln des Welthandels so gestaltet werden, dass die Bekämpfung von Armut, die Verwirklichung der Menschenrechte und der Schutz der Umwelt im Vordergrund stehen. Ziel der Welthandelskampagne ist es, einen Prozess der Demokratisierung der globalen Handelspolitik zu bewirken.