Zapatisten in Klausur

veröffentlicht am 28.06.05 von Stefan Freudenberg

(Mexiko-Stadt, 27. Juni 2005, poonal).- Am Ende einer aufregenden Woche sorgte Subkommandant Marcos für Klarheit. „Um die Spekulationen zu beenden“, erklärte der Sprecher des Zapatistischen Befreiungsheeres EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional): „Wir von unserer Seite aus planen und beraten keine Wiederaufnahme offensiver militärischer Kämpfe.“ Die Zapatisten hätten sich zu internen Konsultationen zurückgezogen, um über eine neue Ausrichtung der Organisation zu beraten. Dabei stehe zur Disposition, ob sich die indigenen Rebellen aus dem südmexikanischen Bundesstaat Chiapas künftig in ihrer Orientierung ausweitet. Alles, was man seit dem Aufstand vom Januar 1994 unternommen habe, sei „ausschließlich von und für Indígenas“ gemacht worden. „Nun konsultieren wir unser Herz, um zu sehen, ob wir von einer ‚anderen Sache‘ sprechen und diese auch machen“, heißt es in einem Schreiben an die „nationale und internationale Zivilgesellschaft“, das am Donnerstag vergangener Woche (23. Juni) veröffentlicht wurde. Gezeichnet: „Subcomandante Insurgente Marcos im Namen des Revolutionär-Klandestinen Indígena-Komitees —Generalkommandantur der EZLN“.

In den Tagen zuvor hat es gleich drei Kommuniqués gegeben, die für reichlich Furore in der mexikanischen Öffentlichkeit und der internationalen Unterstützerszene sorgten. Im ersten Schreiben vom 19. Juni rief die EZLN die „Alarmstufe Rot“ für die von ihr kontrollierten Gebiete aus. Alle öffentlichen Stützpunkte der Bewegung seien vorübergehend geschlossen worden und man ziehe sich in die Klandestinität zurück, hieß es. Betroffen von diesen Maßnahmen waren sowohl die bislang als öffentliche Anlaufstellen dienenden so genannten Caracoles als auch die Büros der „Räte der Guten Regierung“, mit denen die Zapatisten seit knapp zwei Jahren das von ihnen kontrollierte Territorium autonom verwalten.

Zudem rief die EZLN alle mexikanischen und internationalen Aktivisten der Zivilgesellschaft dazu auf, das von den Zapatisten kontrollierte Gebiet zu verlassen oder sich „auf eigenes Risiko“ in den Caracoles zusammenzuziehen. Außerdem würden nun auch jene Mitglieder der EZLN, die in letzter Zeit „soziale Arbeit in den zapatistischen Dörfern geleistet haben“, wieder in die militärischen Strukturen zurückberufen. Der zapatistische Sender „Radio Insurgentes“ setze seine Übertragungen aus.

Einen Tag später meldeten sich die Rebellen erneut zu Wort. Man informiere darüber, dass die EZLN in der zweiten Hälfte des Jahres 2002 in einen Prozess der Reorganisierung ihrer politisch-militärischen Struktur eingetreten sei, der nun beendet sei. „Wir haben jetzt die notwendigen Bedingungen, um als Organisation eine Attacke oder Aktion des Feindes zu überleben“, die darauf abziele, die Führung zu vernichten, hieß es in einem Kommuniqué. Zeitgleich ließ die EZLN jedoch auch wissen, dass der Rückzug und die Mobilmachung eine „defensive Vorsichtsmaßnahme“ sei. Die EZLN habe „die aufständischen Truppen, alle Kommandanten und Kommandantinnen, die regionalen und lokalen Verantwortlichen sowie die zapatistischen Unterstützungsbasen zu einer internen Umfrage aufgerufen“, erklärt Marcos und verweist darauf, dass die mexikanische Armee die letzte Konsultation dieser Art im Februar 1995 zu einer Offensive gegen die Zapatisten genutzt hatte. Diesem Risiko wollte man sich dieses Mal nicht ungeschützt aussetzen.

Für Entwarnung sorgte auch dieses Kommuniqué nur bedingt, denn zur Debatte stehe nun „ein neuer Schritt im Kampf, ein Schritt, der unter anderem das Risiko in sich trägt, das Viele oder Wenige zu verlieren, das wir erreicht haben“. Erst die letzte Erklärung an die „Zivilgesellschaft“ vom Donnerstag (23. Juni) stellte klar, dass mit diesen Worten keine offensive militärischen Aktionen gemeint war. Zudem erklärte Marcos, dass kein Peso des zur Unterstützung der Zapatisten gesammelten Geldes für Waffen oder andere Kriegsmittel ausgegeben worden sei. „Um Krieg zu führen, haben wir keine Unterstützung gebraucht. Für den Frieden brauchen wir sie schon.“

Die zapatistischen Konsultation dauerte eine gute Woche. Nun wollen die Maskierten aus dem mexikanischen Süden über das Ergebnis ihrer Debatte informieren.

Von Poonal

Poonal (Pool de Nuevas Agencias de América Latina) ist ein wöchentlicher Pressedienst latein-amerikanischer Presseagenturen. Jeden Dienstag veröffentlicht Poonal aktuelle Nachrichten und Hintergrundberichte aus Lateinamerika in deutscher Sprache.